Marcel Binder ist als Auszubildender im zweiten Lehrjahr bei uns im Unternehmen und nimmt im Rahmen des ERASMUS-Projekts an einem Auslandspraktikum in Bulgarien teil. Das Projekt soll die berufliche Bildung fördern. Die Teilnehmer sammeln dabei internationale Erfahrungen und arbeiten oder studieren in einem der 22 Mitgliedsländer. Marcel berichtet von unterwegs:
Als Industriekaufmann in Bulgarien
Während der vier Wochen des Praktikums verlässt man die Komfortzone des Arbeits- und Privatlebens in der Heimat; alles, was einem gängig war, wird über den Haufen geworfen. Man startet quasi bei Null. Die erste Woche galt hauptsächlich dem Kennenlernen des neuen Umfeldes. Welcher Bus fährt in welche Richtung? Welche U-Bahn muss man nehmen, um zum Praktikumsplatz zu kommen? In welcher Straße befindet sich der nächste Supermarkt? Die einfachsten Orientierungskniffe wurden durch die kyrillische Schrift zur Herausforderung. Schlau ist es, das kyrillische Alphabet im Visitenkarten-Format mit sich zu führen, denn auch der Magerquark, der für Fitnessbegeisterte, wie ich es einer bin, unerlässlich ist, ist gar nicht so einfach im Kühlregal zu finden. Hierbei spielt Kommunikation eine wichtige Rolle, aber auch die wird schwierig, wenn man versucht, ältere Menschen auf Englisch um Hilfe oder Auskunft zu bitten. Nun gibt es zwei Optionen: Gestik mit vollem Körpereinsatz, was dem Gesellschaftsspiel „Scharade“ nahe kommt, oder man wendet sich an die jüngere Generation, die zum großen Teil fließend Englisch spricht.
Alles anders und doch ähnlich
Das neue Umfeld scheint auf den zweiten Blick so anders nicht zu sein. Von Jung bis Alt, in Sofia ist alles vorhanden. Und doch gibt es Unterschiede. Zum Beispiel ist das Erscheinungsbild Sofias mit dem einer deutschen Stadt nicht zu vergleichen: lockere Bodenplatten, interessante Kabelkonstruktionen an alten Fassaden, mit Graffiti verzierte Eingangstüren und unzählige Kleingeschäfte bis maximal 30 Quadratmeter. Ein offensichtlich geschichtsträchtiger Ort – man könnte es auch ,“vintage“ nennen. Die Kombination zwischen rustikalem Erscheinungsbild, historischem Antlitz und modebewusstem Lebensstil gibt der Stadt einen abwechslungsreichen und interessanten Charme. Apropos modebewusst: Seite bis auf 0 mm, nach oben übergehend länger; Diesen Haarschnitt findet man häufig in Deutschland. In Sofia begegnet man eher dem klassischen Kahlschlag -wie es in meiner Kindheit zu Hause üblich war. Blickt man bei einem gemütlichen Café Americano über den Vitosha-Boulevard (Vitoša bzw. Витоша im Original), kann man den Eindruck gewinnen, man habe diverse Mode-Influenzer auf Instagram abonniert. Die Szenerie wirkt wie ein Catwalk, auf dem verschiedene Kleidungsstile präsentiert werden. Wie in den meisten Großstädten ist Mode auch in dieser Stadt ein allgegenwärtiges Thema. Das Arbeitsleben ist dem deutschen sehr ähnlich. Acht Arbeitsstunden täglich, inklusive 60 Minuten Pause. Was es in Deutschland jedoch weniger gibt ist Sonntagsarbeit. Supermärkte, Modegeschäfte und Drogerien haben sieben Tage die Woche geöffnet.. Der Dienstleistungssektor hat hier einen ruhigen Charakter. Die Einarbeitungszeit war sehr kurz. Im Unternehmen wird stark auf Selbstständigkeit gesetzt.
Ausbildung am Schreibtisch war gestern
So viel zu den ersten Eindrücken. Ich bin gespannt, was mich in den nächsten Wochen noch erwartet. Bisher habe ich eine ordentliche Dosis Tourismus und Kultur mitgenommen, wie zum Beispiel eine hochgradig unterhaltende Free-Sofia-Tour durch die Altstadt, den sonntäglichen mazedonisch-bulgarischen Tanz am Nationaltheater mitgetanzt (mehr schlecht als recht), eine Zugfahrt im Harry Potter-Stil zum Kapana-Fest (Plovdiv) und ein Besuch des Improvisationstheaters auf Englisch. Kurzum habe ich die Zeit mit den Landsleuten genossen. In diesem Sinne: Nazdrave, liebe STREIFFGruppe.